Verband Unabhängiger Kunstsachverständiger
Aktuelle Hinweise
Hier finden Sie aktuelle Meldungen aus unserem Verband sowie aus dem Kunstmarkt, soweit sie für die Standpunkte und Tätigkeit der unabhängigen Kunstsachverständigen von Bedeutung sind.
Bitte beachten Sie auch das Archiv.
VUKS Jahrestreffen in Regensburg vom 3. bis 5. Mai 2024 - nach dem Motto "Immer in den Himmel schauen".
Neben der alljährlich wiederkehrenden Mitgliederversammlung unseres Verbandes war unsere diesjährige Zusammenkunft in Regensburg in jeglicher Hinsicht von Vielfalt bestimmt. Erstmals kamen wir für ein dreitägiges Programm zusammen, was großen Anklang fand. Sowohl der juristische Fachvortrag am Freitag von Dr. Louis Rönsberg, München, als auch das gesamte Programm vom Samstag, das uns von 9:30 bis 20 Uhr beschäftigte, waren für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer höchst informativ. Selbst am Sonntag nutzen die meisten angereisten "VÜKSe" noch wie geplant den Vormittag im Historischen Museum der Stadt zum Gedankenaustausch. Ich möchte die nicht angereisten Verbandsmitglieder sowie die Anwesenden nochmals kurz auf unseren Fortbildungsstreifzug führen und allen danken, die zum Gelingen des Programms beigetragen haben. Wir erlebten allerorts kundige Führungen - und im Historischen Museum am Sonntag ergab sich aus unseren eigenen Reihen die modernste Art der Museumsführung - das Kunstgespräch, sachkundig angeleitet von Michael Hofbauer. Eigens wurde seitens des Museums für unsere kleine Gruppe ein abgesperrter Museumsbereich mit Malerei des 16. Jahrhunderts zugänglich gemacht, eine Aufsicht dazu abgestellt und gemeinsam betrachteten wir Regensburgs Mariendarstellungen sowie die in Regensburg kurzzeitig wundertätige Madonna.
Doch zurück zum Programm. Am Samstag begann unser Rundgang im Zuge der Domführung zwar vor dem Dom, ging aber gleich quer durch den Bischofshof vor die römischen Mauern der Stadt an der Porta Praetoria. Die Ummauerung des römischen Kastells lässt sich in Regensburg an vielen Stellen noch in Außenmauern von Gebäuden erkennen, da man die riesigen Quader an Ort und Stelle beließ. Zwischen Fähnchen wedelnden Gästeführern und ihren Gästen von den Donau-Flusskreuzfahrschiffen hindurch hatten wir das Glück, mit Herrn Horoba nun direkt zum Domschatz-Museum zu laufen. Außen hinter dem Chor des Doms erfuhren wir auf dem Weg zum Museum Etliches über den Dom und darüber, was man in Regensburg aus verlustbedingt relativ wenigen erhaltenen Archivalien und einigen Grabungsbefunden sowie den noch vorhandenen Kreuzgängen und Gebäudefluchten der ehemaligen bischöflichen Residenz über die Vorgängerbauten des Doms St. Peter weiß. Unser Blick richtete sich dabei himmelwärts die Fassade hinauf, zu den gotischen Fenstern und den neogotischen Turmspitzen. Wie in Köln wurde auch der Dom in Regensburg erst im 19. Jh. vollendet.
Hinter dem gotischen Chor hat heute auch die fortwährend mit Restaurierungs- und Instandsetzungsarbeiten befasste Dombauhütte ihren Platz. Kleine Ironie am Rande: Ein großes fassadenfüllendes Plakat neben dem Eingang des Doms Informiert über die "Restauration" im und am Dom - wir stellen jedoch fest, dass der Dom weder Würstchen brät noch ein Imbiss-Stand darin eingebaut würde oder gar Spuren von Soßenflecken auf der Fassade auszumachen waren :-).
Im Domschatzmuseum selbst blieb aus Zeitgründen nur der Besuch des doppelten Kreuzgangs mit Blick auf historische Grabplatten sowie die Besichtigung einer bischöflichen Grabkapelle. Die Reste beindruckender mittelalterlicher Decken- und Wandmalereien in der Grabkapelle, die sich einer der sehr betuchten Bischöfe errichten ließ, sind wegen ihrer Fragilität gewöhnlich nicht Teil des Besichtigungsprogramms.
Ein massiver Steinaltar mit Höhlung und frontseitigen Durchbrucharbeiten, den wir ebenfalls während des Rundgangs besichtigten, versetzte uns etwas in Erstaunen. Gleich begann die gemeinsame Suche nach Ankerpunkten, um dieses Stück historisch zu verorten. Etwas ratlos ließen wir Kapelle und Steinaltar zurück. Vorbei an einer Sammlung demontierten Bauzierrats ging es schließlich kurz in den Dom St. Peter. Überraschend kamen uns am Seiteneingang der Bischof und eine Schar Domspatzen entgegen. Im Dom durften wir dem außergewöhnlichen Silber- und Goldaltar nahe rücken, was mich persönlich sehr freute, da ich mir gerne Silber- und Goldschmiedearbeiten ansehe, obwohl dies rein gar nichts mit "meinen" Ostasiatika zu tun hat.
In einer kurzweiligen Stadtführung brachte man uns Wissenswertes über Regensburg als UNESCO Welterbe-Stadt nahe. Dabei ging unser Blick wie auch beim Dom regelmäßig entlang der Türme reicher Kaufmannsfamilien in den Himmel. Das Wetter trug bayrisch Weiß-Blau und ein wenig fühlte man sich zwischen den Familientürmen in die Toskana versetzt. Wir waren uns weitgehend einig, dass der äußerst strenge Denkmalschutz im Kernbereich der Altstadt bei der Architektur außen wie innen eine Herausforderung darstellt. Wohnen mochte in einem solchen Turm keiner von uns, da man alles oberhalb der 2. Etage als Blendgeschosse bezeichnen muss, die schon im Spätmittelalter nicht ausgebaut waren und heutzutage auch nicht ausgebaut werden dürfen. Unsere Stadtführerin wies den Weg zur Donau, wo sie vom besonders außergewöhnlichen Hochwasserschutz der alten Wurstküche berichtete: "Alles hochstellen, Türen und Fenster mit Metallläden schließen und INNEN Frischwasser einfüllen, dann das Hochwasser abwarten". Auf diese Art kommt kein Schlamm oder Unrat in das Gebäude und wenn das Hochwasser vorüber ist, muss es nur wieder trocknen. Überraschend pragmatisch!
Insgesamt ist die historische Altstadt erstaunlich intakt und nur wenige so genannte Bausünden aus der 2. Hälfte des 20. Jh. beeinträchtigen die Einheitlichkeit.
Am frühen Nachmittag ging es in das Kunstforum Ostdeutsche Galerie, wo wir während einer Führung einen Überblick über den Sammlungsbestand gewinnen konnten. Das Museum dokumentiert das Kunsterbe ehemals deutscher Kulturräume im östlichen Teil Europas - von Ostpreußen und Schlesien über Sudetenland, Böhmen und Mähren bis nach Siebenbürgen. Außerdem werden hier auch Sonderausstellungen zeitgenössischer Kunst aus Osteuropa präsentiert. Auffällig ist neben dem eigenen Bestand des Hauses die Menge an Leihgaben der Bundesrepublik Deutschland. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Werke von zwischen 1933 und 1945 verfolgten oder verfemten Künstlern.
Den Spätnachmittag verbrachten wir mit spannenden Kurzvorträgen von Simone Klein zu gefälschten Fotografien, Nils Büttner zum Corpus Rubenianum, Michael Hofbauer zu spannenden Entdeckungen an Cranach-Gemälden, Behrend Finke zu erwähnenswerten Kurznachrichten und Informationen, die uns allen dienlich sein könnten. Und ich wies kurz auf die Ausstellungsproblematik derzeit stark diebstahlgefährdeter Asiatika hin. In diesem Zusammenhang stellte ich kurz die jedermann zugängliche Interpol-App ID-Art vor. Behrend Finke kündigte in einer kurzen Ansprache zum Jubiläum des Verbandes außerdem seinen Plan an, sich langsam aus der Vorstandstätigkeit zurückzuziehen. Das ist zwar überraschend, aber aufgrund des Alters auch nachvollziehbar. Die meisten Menschen sind im gleichen Alter schon lange im Ruhestand!
Am Sonntag trafen wir uns vor dem Historischen Museum, das sich im ehemaligen Minoritenkloster befindet. Wir bekamen einen Überblick über die Sammlung von Frühgeschichte bis Gegenwart, darunter auch Tafelmalerei des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Die ehemalige Klosterkirche ist ebenfalls Teil des Museums und nur vom Museum aus zugänglich.
Ausgesprochen entgegenkommend empfand ich, dass uns das Museum eine Aufsicht zur Seite stellte und dadurch die aktuell geschlossene Ausstellung mit Altären, Tafelbildern und Altmeistern für uns zugänglich war. So war es möglich, etwas lauter darüber zu diskutieren, wie Kompositionen und Darstellungsweisen zustande gekommen sein könnten. "Hässliche Gesichter", dicke Pratzen, unförmige Gestalten - was wollten die Künstler damit sagen? Ist die Art der Darstellung einem Mangel an künstlerischer Fertigkeit geschuldet oder war sie vorsätzlich? Wer hat von wem abgekupfert? Aus meinem auf Ostasiatika gerichteten Blickwinkel heraus bedeutet diese Betrachtung eine willkommene Auffrischung dessen, was ich im Studium der Mittleren und Neueren Kunstgeschichte vor langer Zeit gehört und diskutiert hatte.
Sabine Hesemann
